Kassel (ots) – Wer war er eigentlich? Der Blick auf den im Krieg gefallenen oder vermissten Vater, Groß- oder Urgroßvater ändert sich für viele im Lauf der Jahre ebenso wie das Interesse an ihren Biographien. Vor allem dann, wenn Dokumente auftauchen oder einem mal wieder in die Hände fallen – vielleicht gerade jetzt in den vielen Stunden zu Hause. Interessant sind die Lebensgeschichten nicht nur für die Nachkommen, sondern auch für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
Mit dem Projekt „Kriegsbiographien“ zeichnet er Lebenswege von Kriegstoten nach – wenn möglich künftig für jede der 832 Kriegsgräberstätten (https://kriegsgraeberstaetten.volksbund.de/) , die er in 46 Ländern pflegt. Dafür sammelt er bundesweit private Nachlässe nicht nur von Soldaten.
Verdun, Vogesen, Polen, Operationsgebiet West
Dazu kann ein Wehrpass gehören mit ebenso dürren wie aussagekräftigen Einträgen wie diesen:
15.6.16 – 3.7.16 Kämpfe um Verdun
14.1.17 – 24.6.18 Stellungskämpfe in den Vogesen
oder:
1.9. – 15.9.39 Feldzug gegen Polen
17.9.39 – 24.1.40 Operationsgebiet West.
Das kann ein Feldpostbrief sein wie dieser aus dem ersten Kriegswinter 1939: „Mein liebes Kind! Zu Deinem 4. Geburtstag wünsche ich Dir aus weiter Ferne alles Gute. Ich werde am Heiligen Abend, Deinem Geburtstag, gerne an Dich denken u. hoffe mit Dir, daß Dich das Christkind recht reich beschenkt. Dein Papa“.
Ein Foto der Grabstelle dicht an der Front
Das kann ein Hochzeitsfoto sein, ein Tagebuch, aber auch die Todesnachricht, die Todesanzeige, ein Foto der Grabstelle nahe der Front. Auch schriftliche Erinnerungen sammelt das Projekt-Team „Kriegsbiographien“ beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit Sitz in Kassel.
Der gemeinnützige Verein sieht sich als wichtigen Akteur zeitgemäßer Erinnerungskultur und rückt – ausgehend vom Kriegsgrab – das individuelle Schicksal in den Fokus. Je weniger Zeitzeugen berichten können, desto wichtiger werden Schriftstücke und Dokumente, die die Lebensgeschichten von Kriegstoten nachvollziehbar machen.
Schicksale – unverfälscht
Lebensgeschichten wie die des 20-jährigen Wehrmachtssoldaten, des 15-Jährigen aus dem Volkssturm, des Flüchtlings und der Zwangsarbeiterin mit kleinem Kind, die vielleicht alle am selben Ort begraben sind. Jede einzelne Biographie mahnt eindringlich zum Frieden.
„Gerade bei Veranstaltungen auf Kriegsgräberstätten erleben wir, wie sehr die unverfälschte Darstellung von Einzelschicksalen die Menschen bewegt“, sagt Projekt-Initiator Arne Schrader (Abteilungsleiter Gräberdienst). Das gilt auch und gerade für Jugendliche und junge Erwachsene. Dem trägt der Volksbund mit modernisiertem Ausstellungskonzept Rechnung, das drei Schwerpunkte umfasst: die historischen Ereignisse, der jeweilige Friedhof, die Biographien. Kriegsgräberstätten werden zu Orten der Auseinandersetzung und zunehmend auch zu Lernorten.
Friedenspädagogik auf Kriegsgräberstätten
Als einziger Gräberdienst weltweit leistet der Volksbund Jugend- und Bildungsarbeit (https://www.volksbund.de/jugend-bildung/jugend-und-bildung.html) und erfüllt damit einen selbstgestellten friedenspädagogischen Auftrag. Er will die Zusammenarbeit mit Schulen intensivieren und erreichen, dass noch mehr Kriegsgräberstätten als außerschulische Lernorte anerkannt werden. Bildungsarbeit (https://www.volksbund.de/jugend-bildung/schulen-und-hochschulen.html) für Schüler- und Lehrerschaft und für Hochschulen zählen zu den Hauptaufgaben des Vereins.
Erst kürzlich erhielt das Team „Kriegsbiographien“, das aus Geschichts-Studenten besteht, einen Anruf: Sie habe nicht gewusst, wohin mit dem Nachlass, als sie sich von ihm trennen musste, und hatte ihn wenige Tage zuvor entsorgt. Die Anruferin war erschüttert ob der verpassten Chance. Und der Volksbund wäre dankbar gewesen für ein weiteres Kriegsgrab, zu dem er die Frage hätte beantworten können: „Wer war das eigentlich?“.
Appell an alle, die Nachlässe bewahren
Der Appell gilt darum allen, die mit privaten Nachlässen und aufgezeichneten Erinnerungen dazu beitragen können, Kriegsbiographien nachzuzeichnen: Stellen Sie das Material dem Projektteam zur Verfügung – leihweise oder dauerhaft (Kontakt: Mail an kriegsbiographien@volksbund.de).
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge…
… ist ein eingetragener, 100 Jahre alter Verein. Die Bundesregierung hat ihn 1954 beauftragt, deutsche Soldaten im Ausland zu finden, zu identifizieren, würdig zu bestatten und ihre Gräber zu pflegen. Der Volksbund versteht sich heute als international vernetzter, humanitärer, friedenspädagogischer Akteur. Seine Arbeit basiert vor allem auf Beiträgen von Mitgliedern und auf Spenden (https://www.volksbund.de/helfen/spendenhelfen.html) . Spenden sind auch telefonisch und online möglich. Mehr Informationen finden Sie unter http://www.volksbund.de/ .
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Ungekürzte Fassung online unter https://www.volksbund.de/meldungen/aktuelles-art ikel/news/wer-war-er-eigentlich.html
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