Tarmstedt (ots) – In Deutschland gingen im Jahr 2019 biologisch erzeugte Produkte für fast 12 Milliarden Euro über den Ladentisch, etwa 9,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig stellen regionale Direktvermarkter aktuell eine deutlich angestiegene Nachfrage fest. Dirk Gieschen, Agrarexperte und Initiator der Website agrar-trends.de, erklärt im Interview die Hintergründe dieser beiden Trends und den Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Welche Rolle spielen regional erzeugte Lebensmittel in Zeiten der Corona-Pandemie?
Dirk Gieschen: Die deutsche Bundesregierung hat die Landwirtschaft im Rahmen des Corona-Pakets zur systemrelevanten Infrastruktur erklärt. Ziel ist die Sicherstellung der Lebensmittelkette von der Urproduktion bis zum Verbraucher. Der Fokus liegt also auf einer gut funktionierenden Lebensmittelversorgung durch eine regionale Landwirtschaft, die auch im Beschaffungsbereich möglichst autark ist. Wir erleben derzeit, wie schwierig eine solche Krisensituation für andere Länder ist, die einen geringeren Selbstversorgungsgrad haben und entsprechend stark vom Weltmarkt abhängig sind.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Kaufentscheidungen der Verbraucher im Lebensmittelbereich?
Dirk Gieschen: Vielen Verbrauchern wird gerade klar, wie wichtig die Stärkung regionaler Anbieter ist, um auch in Krisenzeiten die Verfügbarkeit bestimmter Lebensmittel sicherzustellen. Der zu Beginn der Corona-Krise nicht ganz störungsfreie Warenverkehr an den Grenzen hat gezeigt, wie wichtig ein hoher Selbstversorgungsgrad ist. Hofläden und andere Direktvermarkter – besonders die, die ihr Produktsortiment bereits online anbieten – erleben gerade einen sprunghaften Nachfrageanstieg. Viele Verbraucher kaufen gerade ganz bewusst regional, um die Landwirtschaft und die Direktvermarkter vor Ort zu stärken.
Hat diese Entwicklung auch Einfluss auf die steigende Nachfrage nach biologisch erzeugten Lebensmitteln?
Dirk Gieschen: Für die gestiegene Nachfrage nach Bio-Produkten sehe ich andere Gründe. Neben einem altersübergreifenden Trend in kaufkraftstarken Zielgruppen zur bewusst natürlichen Ernährung wächst derzeit eine Generation junger Menschen heran, die sich kritisch mit den bestehenden Systemen auseinandersetzen und diese hinterfragen. Das gilt nicht nur für den Bereich Umweltschutz und die „Fridays for Future“-Bewegung, sondern für das Thema Nachhaltigkeit insgesamt. „Bio“ liegt in dieser Zielgruppe hoch im Kurs. Genau diese Generation trifft mittlerweile – und künftig deutlich zunehmend – eigene Kaufentscheidungen unter genau diesen Aspekten. Ich erwarte daher für die kommenden Jahre eine deutlich ansteigende Nachfrage nach biologisch erzeugten Produkten.
Was bedeutet dieser Trend für die deutsche Landwirtschaft – wird das politische Ziel von „20 Prozent Ökolandbau in 2030“ damit schneller erreicht?
Dirk Gieschen: Genau diese Entwicklung ist zu erwarten. Die Anbaufläche des Ökolandbaus hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. 2019 wurde die 10-Prozent-Schwelle erstmals überschritten. Für die nächste Verdopplung sind damit doch sehr hohe Wachstumsraten nötig. Von der Verbraucherseite und auch seitens des Lebensmitteleinzelhandels wächst das Interesse an Bioprodukten zunehmend. Jetzt ist die Politik gefordert, dafür zu sorgen, dass diese Bioprodukte künftig auch zum hohen Anteil aus dem deutschen Ökolandbau kommen und nicht aus Kostengründen importiert werden. Hierfür müssen die Landwirte von der Politik und von den Vermarktern Rahmenbedingungen bekommen, mit denen sie die Umstellung auch finanziell schaffen können. Ich bin mir sicher, dass die Bereitschaft zur Umstellung auf vielen landwirtschaftlichen Betrieben gerade im Generationswechsel deutlich wächst. Doch viele angehende Betriebsleiter haben Angst, vom Regen in die Traufe zu kommen und als Ökobauern unter den gleichen Preisdruck zu geraten, dem sie eigentlich entfliehen wollten. Das ist der Hemmschuh für das Wachstum des Ökolandbaus in Deutschland.
Mehr Informationen zur Entwicklung des Ökolandbaus in Deutschland unter https:// agrar-trends.de/oeko-landwirtschaft-waechst-auf-mehr-als-10-der-anbauflaeche/
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