Bonn (ots) – Es ist alles anders seit Corona. Die Straßen sind leer, wer kann, bleibt zu Hause – und wer dennoch zur Arbeit muss, nimmt angesichts des Frühlingswetters lieber mal das Fahrrad als Bus und Bahn. Doch nur, weil der Verkehr in Krisenzeiten abnimmt, sollte man nicht leichtsinnig werden. Daher ruft die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung, die sich um die Belange von Menschen mit Schädel-Hirn-Traumata kümmert, alle Radfahrer nachdrücklich zum Tragen eines Helms auf, um das Risiko von schwerwiegenden Kopfverletzungen bei Unfällen zu minimieren. Diese sind nämlich nicht nur lebensgefährlich, sondern können auch massive Folgeschäden bis hin zu lebenslangen Beeinträchtigungen hervorrufen.
Obwohl jedes Jahr allein in Deutschland mehr als 70.000 Radfahrer verunglücken, ist der Anteil jener, die einen Helm tragen, noch immer erschreckend gering. „Es hat in den vergangenen Jahren durchaus Fortschritte gegeben, aber noch immer sind etwa vier von fünf Radfahrern ungeschützt unterwegs“, erklärt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV). „Dieser Wert zieht sich durch fast alle Altersgruppen und trifft auch auf Senioren zu, obwohl diese bei Stürzen noch einmal zusätzlich gefährdet sind.“ Brockmann warnt dabei explizit vor einem Scheinsicherheitsgefühl, dass sich etwa beim Fahren mit E-Bikes einstellen kann. „Das Problem bei Rädern mit Elektro-Antrieb ist, dass sie ein hohes Eigengewicht haben“, sagt er. „Das spüren Sie nicht, so lange es rollt, aber wenn sie bremsen oder anhalten müssen, werden viele Menschen überrascht, was für Kräfte da im Spiel sind.“ Dazu kommen Schlaglöcher und Straßenbahnschienen als potenzielle Stolperstellen, ebenso wie Bordsteinkanten oder rutschige Straßenbeläge. Andere Verkehrsteilnehmer sind da noch gar nicht eingerechnet. „Etwa 25 Prozent der getöteten Radfahrer sterben durch Alleinunfälle“, so Brockmann.
Insofern ist das Risiko auch bei scheinbar freien Straßen nicht zu unterschätzen. „Eine fast alltägliche Situation ist das Passieren einer Garagenausfahrt“, erklärt der Fotograf und passionierte Radfahrer Rainer Coordes, der sich intensiv und leidenschaftlich für das Tragen von Fahrradhelmen einsetzt, seit ein solcher ihm im März 1989 bei einem schweren Unfall das Leben rettete. „Wenn sie mit 20 Stundenkilometern auf so eine Stelle zufahren und auf einmal ein Auto aus der Garage fährt, können Sie einen Unfall kaum verhindern. Selbst wenn das andere Fahrzeug steht, prallen sie unweigerlich mit großer Wucht dagegen und haben ohne einen Helm fast keine Chance mehr, das unbeschadet zu überstehen.“ Gleichzeitig kritisiert Coordes, dass die Menschen zunehmend aggressiver würden. „Erst neulich bin ich wieder von einem gereizten Autofahrer fast von der Straße gedrängt worden. Die Unfallgefahr ist durch derart rücksichtsloses Verhalten also weiterhin hoch. Und momentan haben ohnehin alle Verkehrsteilnehmer nur noch Corona im Kopf, sind also nicht so auf den Straßenverkehr fokussiert, wie es nötig wäre.“
Ein ordentlicher Fahrradhelm kann somit Leben retten. „Man kann sich damit nicht immer vor einem Unfall schützen, aber zumindest die Schwere einer Kopfverletzung minimieren“, betont auch Musiker Adel Tawil, Präsident der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung. „Viele Menschen sind überrascht, wie komfortabel sich ein Helm trägt, wenn er richtig angepasst ist.“ Das ist ohnehin eine Grundvoraussetzung, sagt auch Rainer Coordes. „Er darf nicht wackeln und muss die Ohren freilassen“, erklärt er. „Außerdem sollte der Kinnriemen relativ eng anliegen. Ein, maximal zwei Finger dürfen zwischen Verschluss und Kinn passen.“ Zudem sollte der Helm nicht älter als fünf Jahre sein, da die verwendeten Materialien mit der Zeit spröde werden. Bleibt zu hoffen, dass immer mehr Radfahrer darauf achten. „Wir werden auf jeden Fall noch lange Überzeugungsarbeit leisten müssen“, vermutet Siegfried Brockmann. „Doch jeder, der sich dadurch angemessen schützt, ist diese Bemühungen mehr als wert.“
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