Mainz (ots) – Mutmaßlich minderjährige Asylbewerber sollen nach Ankunft in
Griechenland willkürlich als Erwachsene registriert worden sein. Das ergeben
Aussagen von Betroffenen und Nichtregierungsorganisationen gegenüber dem
ARD-Politikmagazin „Report Mainz“. So schildern mehrere betroffene Asylbewerber
auf der griechischen Insel Samos, dass ihr Alter trotz korrekter eigener Angaben
falsch dokumentiert worden sei. Sie seien dadurch zu Erwachsenen deklariert
worden. Verantwortlich für die Registrierung von Flüchtlingen ist die
griechische Polizei, sie wird dabei von der EU-Grenzschutzbehörde Frontex
unterstützt. Bei der Registrierung sollen laut Frontex die Daten so eingetragen
werden wie vom Asylbewerber angegeben. Bestehen Zweifel am angegebenen Alter,
müssten die griechischen Behörden eigentlich ein mehrstufiges medizinisches
Verfahren zur Altersüberprüfung einleiten.
Bill van Esveld von der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ hat
selbst vor Ort recherchiert und bestätigt die Vorwürfe der Betroffenen: „In zwei
Tagen vor Ort bin ich mindestens zehn Minderjährigen begegnet, die teilweise 16
Jahre alt waren und als bis zu 26-Jährige registriert wurden. Das war
lächerlich. Es schien keine ernsthaften Anstrengungen zu geben, herauszufinden,
ob jemand minderjährig ist oder nicht. Es wurde einfach willkürlich ein Alter
aufgeschrieben.“
Auch die Nichtregierungsorganisation „Anwälte ohne Grenzen“ betreut nach eigenen
Angaben mutmaßlich Minderjährige, die als Erwachsene registriert wurden. „Uns
haben Betroffene berichtet, dass sie trotz der Vorlage von Dokumenten nicht als
Minderjährige registriert wurden. Sie wurden willkürlich als Erwachsene
registriert.“
Die griechische Wohlfahrtsorganisation „Metadrasi“, die zahlreiche unbegleitete
Minderjährige vor Ort als gesetzlicher Vormund vertritt, bestätigt ebenfalls
derartige Aussagen. „Die Kinder erzählen uns, dass sie bei der Registrierung ihr
Alter angegeben haben. Dann werde etwas aufgeschrieben und sie beschweren sich,
dass das nicht stimme, sagen die Kinder. Daraufhin werde ihnen gesagt: „Doch,
das ist jetzt so“, sagte Lena Perpiraki von Metadrasi im Interview mit „Report
Mainz“.
Zwei Asylbewerberinnen schilderten im Interview, sie seien gezwungen worden, ein
Protokoll mit einer falschen Altersangabe zu unterschreiben. Bei Weigerung sei
ihnen Gewalt angedroht worden. Sie seien daraufhin als vermeintlich Erwachsene
weggeschickt worden, ohne eine sichere Unterkunft zu erhalten. Daraufhin seien
sie mehrfach sexuell belästigt und vergewaltigt worden. Inzwischen sind sie mit
Unterstützung von Anwälten nachträglich als minderjährig anerkannt worden.
Frontex teilt zu den Vorwürfen schriftlich mit, man sei über solche Fälle nicht
informiert. Man müsse aber eine hohe Zahl an Personen bearbeiten, es könnten
unbeabsichtigte Fehler auftreten. Diese würden aber von den griechischen
Behörden korrigiert. Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis sagte im
Interview mit „Report Mainz“: „Wir werden in den kommenden Wochen klare
Standards einführen für medizinische Untersuchungen, um genau festzustellen, wer
minderjährig ist und wer nicht.“
Weitere Informationen auf der Internet-Seite https://www.swr.de/report
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