Düsseldorf (ots) – Die durch das Coronavirus verursachten Zwangspausen in vielen
chinesischen Unternehmen belasten die Lieferketten im weltweiten Handel. Kann
die Epidemie nicht rasch eingedämmt werden, drohen Lieferschwierigkeiten auch
für deutsche Unternehmen. Robert Kromoser, Partner und Experte von Kearney für
Einkauf, Digitalisierung und Risikomanagement, Michael F. Strohmer, Partner und
Co-Lead Operations Europa von Kearney und Alla Schwamborn, Expertin bei Kearney
für Supply Chain Risk Management, über die Herausforderungen und die Gefahren
für die deutsche Wirtschaft.
Rien ne va plus – nichts geht mehr in China. Das sich rasant ausbreitende
Coronavirus und die damit verbundenen Betriebsschließungen in Wuhan, sowie in
einigen angrenzenden Regionen, sorgen weltweit für Turbulenzen in den
Lieferketten. Passagier- und Frachtflüge sind ausgesetzt, Fabriken bleiben
geschlossen und auch der Export von Europa nach China leidet. Laut WHO ist noch
kein Anti-Serum in Sicht. Robert Kromoser, Partner und Experte von Kearney für
Einkauf, Digitalisierung und Risikomanagement, sieht in erster Linie
unmittelbare Lieferungsprobleme. Der Grund: Im Gegensatz zu klassischen
Katastrophen, wie großen Erdbeben oder Tsunamis, die die Infrastruktur ganzer
Landstriche in Mitleidenschaft ziehen, werden die Lieferketten bei einer
Epidemie nicht auf einen Schlag ausgelöscht. Da die Infrastruktur erhalten
bleibt, könnte die Produktion nach der Eindämmung schnell wieder hochgefahren
werden. „Im Moment sind die Lieferketten noch nicht wirklich unterbrochen. Waren
können frei bewegt werden, es kommt eher zu Reiseeinschränkungen. Eine Gefahr
für die Lieferketten entsteht dann, wenn die Fabriken über längere Zeit
großflächig geschlossen werden“, so Kromoser.
Globale Lieferketten diversifizieren
Wann genau die Produktion wiederaufgenommen wird, ist derzeit reine Spekulation.
Michael F. Strohmer, Co-Lead Operations Europa von Kearney, sieht es ähnlich:
„Wir bemerken, dass Unternehmen mit wesentlichen Lieferanten in der Region Task
Forces aufbauen, um einen Produktionsausfall möglichst zu verhindern. Hier sind
Firmen in der Elektronik- und Automobilindustrie besonders betroffen. Nun kommt
es darauf an, direkte Kontakte zu den Lieferanten in der Region zu knüpfen und
laufende Transporte umzuleiten.“
Aktives Krisenmanagement als Wettbewerbsvorteil
Um Lieferengpässe zu vermeiden, empfehlen die Experten die Intensivierung des
eigenen Krisenmanagements. Wer über das beste und agilste Krisenmanagement
verfügt und sich rasch die (noch) am Markt verfügbaren Kapazitäten sichert, hat
einen Wettbewerbsvorteil. „Während der Überschwemmungen 2011 in Thailand hat ein
deutscher Automobilbauer sofort alle global verfügbaren Bestände an
Elektronikkomponenten aufgekauft und so die Produktion abgesichert“, erklärt
Kromoser. Für den Experten ist das Coronavirus eine Feuerprobe für das
Risikomanagement: sich nie von einem einzigen Standort mit einer kritischen
Komponente abhängig machen. „Bezieht man den CO2 Ausstoß durch lange
Transportwege, vermehrte Wetterkapriolen, die die Logistik beeinträchtigen, neue
Gesundheitsrisiken wie Corona usw… mit ein, dann müssen sich Firmen die
Grundsatzfrage stellen, ob man bei globalen Lieferketten nicht stärker auf
Lagersicherheitsbestände und einen zweiten Lieferanten setzen sollte.“
Auch Alla Schwamborn, Expertin bei Kearney für Supply Chain Risk Management,
empfiehlt, die Lieferanten mit Sorgfalt und Weitsicht zu wählen. „Es ist zu
erwarten, dass auch in Zukunft Naturkatastrophen passieren oder Epidemien
ausbrechen werden. Da können rasch Schäden in Milliardenhöhe entstehen.
Investition in professionelles Lieferantenrisikomanagement rechnet sich dann
schnell. In der Praxis heißt das: Kritische Materialien und somit Lieferanten
identifizieren, Transparenz in der Lieferkette schaffen, Szenario basierte
Krisenstrategien erarbeiten und strategische Lieferantenpartnerschaften darauf
basierend aufbauen.“
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