Berlin (ots) – In Deutschland rauchen etwa 17 Mio. Menschen, mit wenig Veränderung in den letzten fünf Jahren. Laut den aktuellen Ergebnissen der seit Jahren durchgeführten DEBRA-Studie (stichprobenartige Befragung der Bevölkerung zum Rauchverhalten), die unter der Leitung des Instituts für Allgemeinmedizin der Universität Düsseldorf durchgeführt wird, wollen etwa drei Viertel der Raucher gar nicht auf das Rauchen verzichten. Knapp 90% haben in den letzten 12 Monaten keinen ernsthaften Rauchstoppversuch unternommen. Dies zeigt, dass der Großteil der Raucher durch den traditionellen Ansatz von Mahnungen und Warnungen nicht mehr erreicht wird und es komplementärer Maßnahmen gegen das Rauchen bedarf.
Medizinisch ist Rauchen eine Psychische und Verhaltensstörung(-en) durch psychotrope Substanzen ( ICD F17.0) und im Speziellen ein Abhängigkeitssyndrom durch Tabak (ICD F17.2). Die psychotrope Substanz, die dieses Abhängigkeitssyndrom bedingt, ist das Nikotin. Nikotin verursacht und unterhält die Sucht, tötet aber den Raucher nicht. Nikotin ist als Arzneimittel zum Rauchstopp von den Gesundheitsbehörden seit mehr als zwei Jahrzehnten zugelassen und auch wenn experimentell Einflüsse auf menschliche Körperzellen beschrieben sind, gilt es bis heute nicht als atherogen und auch nicht als kanzerogen. Im Gegensatz zum Nikotin schädigt die Tabakverbrennung beim Rauchen den Organismus. Im Rauch wurde eine Vielzahl kanzerogener Stoffe identifiziert. Das Kohlenmonoxid führt zu NO-Verarmung des Endothels und Carbonyle und polyzyklische Kohlenwasserstoffe schädigen die Lunge. Diese Belastung durch den Konsum klassischer, den Tabak verbrennende Produkte führt zu Tumorerkrankungen, Atherosklerose mit kardiovaskulären Ereignissen und Destruktion der Lungen mit den Folgen der obstruktiven Lungenerkrankung. Wer diese Erkrankungen verhindern will, muss rechtzeitig damit beginnen, den Konsum von Verbrennungszigaretten stark zu reduzieren oder besser ganz aufzugeben.
Daher ist der Rauchstopp das primäre Ziel aller Bemühungen der gesundheitlichen Aufklärung. Mit entsprechenden Nikotinersatzprodukten, medikamentöser Suchtbekämpfung und Verhaltenstherapie kann dieser in bestimmten Fällen auch von bis zu 50% der Raucher erreicht werden. Leider, so die DEBRA-Sudie, werden diese Maßnahmen in der Praxis kaum angeboten und von Rauchern kaum nachgefragt. Die heutzutage schon von Rauchern am häufigsten genutzte Methode ist die E-Zigarette. Verbrennungsfreie Alternativprodukte, zu denen neben E-Zigaretten auch Tabakerhitzer gehören, setzen über 90% weniger Schadstoffe frei und sind daher aus gesundheitspolitischer Sicht von potenziell großer Bedeutung. Da das primäre Ziel des Rauchstopps bei der großen Mehrheit der Raucher in Deutschland in weiter Ferne erscheint, ist der vollständige Umstieg auf E-Zigaretten oder Tabakerhitzer ein gesundheitsökonomisch und epidemiologisch sinnvolles Ziel.
Auf dem 138. Deutschen Chirurgenkongress wurde dieses Thema unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Storck (Städt. Klinikum Karlsruhe) und Prof. Dr. Daniel Kotz (Univ. Düsseldorf) in der digitalen wissenschaftlichen Sitzung „Rauchentwöhnung: Wer, wann, wie?“ gemeinsam mit Prof. Dr. Ute Mons (Univ. Köln), PD Dr. Tobias Rüther (LM Univ. München), Dr. Thomas Hering (Facharzt für Pneumologie, Berlin) und Prof. Dr. Knut Kröger (Helios Klinikum Krefeld) abgehandelt. Es existieren inzwischen umfassende Daten, unter anderem vom Bundesinstitut für Risikobewertung und internationalen Instituten, welche den um etwa 95% reduzierten Schadstoffgehalt im Dampf von E-Zigaretten und Tabakerhitzern gemessen und Risikopotenziale im Vergleich zu Verbrennungszigaretten bewertet haben. Der Vorteil der möglichen Risikoreduktion durch E-Zigaretten und Tabakerhitzer, gerade für die besonders gefährdeten Raucher, wird immer wieder gegen den ebenso bedeutsamen Jugend- und Nichtraucherschutz ausgespielt, obwohl Primärprävention und Risikoreduktion sich gegenseitig verstärken können.
Aus Sicht der Referenten braucht es in Deutschland größere Anstrengungen und ein klares Bekenntnis von medizinischen Fachgesellschaften und der Politik, denn traditionelle Ansätze der Prävention und neuere Konzepte der Schadensminimierung könnten sich gegenseitig verstärken. Ohne eine solche Strategie wird der Gedanke der Risikoreduktion („Harm Reduction“) nicht umgesetzt und die verschiedenen Interessengruppen blockieren sich gegenseitig.
Als Ergebnis dieser wissenschaftlichen Sitzung wird gefordert:
– die flächendeckende Rauchstoppberatung durch Schulung der Ärzteschaft (ABC-Methode)
– die Kostenübernahme für Rauchstoppstrategien
– verpflichtende Schulungsprogramme für Ärzte aller Fachrichtungen zum Rauchstopp
– öffentliche Aufklärung von Rauchern über eine mögliche Schadensminderung durch verbrennungsfreie Alternativen
– eine differenzierte staatliche Regulierung mit Lenkungswirkung in Richtung Rauchstopp oder gegebenenfalls hin zu schadstoffreduzierten Alternativen, z. B. durch eine dem Schadenspotential angepasste Besteuerung
Die Ärzteschaft sowie andere Verantwortliche im Gesundheitssystem sollten diese Ansätze offen und sachlich angehen, damit auch in Deutschland die Folgekrankheiten des Rauchens effektiv bekämpft werden können.
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