Köln (ots) – Nach langwierigen Austrittsverhandlungen, mehrfachen Verschiebungen
des Stichtages sowie einer Phase erheblicher Unsicherheit für Politik und Handel
ist es nun soweit – heute um 24.00 Uhr (MEZ) tritt Großbritannien förmlich aus
der Europäischen Union aus. Ein „harter“ Brexit konnte indes glücklicherweise
(noch) vermieden werden, das Austrittsabkommen wurde mittlerweile vom britischen
Parlament ratifiziert. Trusted Shops erläutert, welche Bedeutung der Brexit für
den grenzübergreifenden Online-Handel in Europa hat und welche Gefahren er mit
sich bringt.
Welche unmittelbaren Folgen hat der Austritt für den Onlinehandel?
Vor dem Hintergrund der Größe und der wirtschaftlichen Bedeutung des britischen
E-Commerce Markts ist diese Entwicklung gerade für Online-Händlerinnen und
Händler zunächst beruhigend. Denn der gesamte rechtliche Rahmen der EU für den
elektronischen Geschäftsverkehr gilt für UK in der Übergangsperiode fort.
Insbesondere bleibt das Land bis Ende 2020 Teil des Binnenmarkts und der
Zollunion. Für den Onlinehandel bedeutet dies vor allem, dass etwaige
Formalitäten bei der Wareneinfuhr- und Ausfuhr, die höhere Versandkosten für die
Endkunden haben können, an dieser Stelle unterbleiben. Längere Lieferzeiten
aufgrund von Zollkontrollen sowie zusätzliche Steuer (z.B. die
Einfuhrumsatzsteuer) oder Zolltarifen werden ebenfalls vermieden.
Entscheidend ist die Regelung der künftigen Beziehungen
Das Austrittsabkommen selbst ermöglicht lediglich die genannte Übergangsperiode,
es enthält aber keine umfassenden Regelungen zu den künftigen Beziehungen
zwischen der EU und Großbritannien im Bereich des E-Commerce. Laut der
politischen Erklärung über die künftigen Beziehungen, eines rechtlich
unverbindlichen Dokuments, das gemeinsam mit dem Austrittsabkommen ausverhandelt
wurde, werden sich beide Seiten unmittelbar nach Brexit bemühen, ein
(gesondertes) Abkommen über die künftigen Beziehungen abzuschließen.
Wann und in welcher Form dieses gesonderte Abkommen geschlossen wird, bleibt
aktuell allerdings ungewiss. Insofern bleibt auch ein potentielles Risiko eines
ungeregelten Brexit nach Ende der Übergangsperiode. Wenn auch dieses nunmehr
geringer sein dürfte, ergäben sich bei solch einem Szenario insgesamt negative
Folgen für den europäischen E-Commerce.
Zölle und Einfuhrumsatzsteuer
Folge eines letztlich ungeregelten Brexit könnte die Wiedereinführung von Zöllen
sein. Kunden deutscher Händler, die in Großbritannien wohnen, müssten für ihre
Einkäufe aus Deutschland Zölle und Einfuhrsteuern zahlen. Damit wären
grenzüberschreitende Einkäufe für Kunden aus UK viel teurer und somit viel
unattraktiver. Dies gilt auch umgekehrt. Für Händler auf beiden Seiten wird
somit der Handel mit Kunden aus dem jeweils anderen Zielmarkt erschwert.
Zusätzliche Kosten, Bürokratien und Unsicherheiten werden unter Umständen nicht
alle Händler auf sich nehmen wollen.
Hohe Exportkosten
Insbesondere klein- und mittelständische Händler könnten es im Falle eines
fehlenden Abkommens schwer haben, die Kosten für den Export zu tragen, denn
anders als Großunternehmen wird es ihnen nicht so leicht fallen, strategische
Partnerschaften aufzubauen und Vertriebskooperationen einzugehen.
Probleme für den Datenschutz
Auch hinsichtlich der für den Datenschutz relevanten Vorschriften wäre UK nach
der Übergangsperiode zunähst ein Drittstaat. Hier ist jedoch davon auszugehen,
dass die Problematik mittels eines sog. Angemessenheitsbeschlusses der EU
Kommission hinsichtlich Großbritannien gelöst werden kann, wodurch die
Datenübermittlung ohne rechtliche Risiken stattfinden würde. Unklar ist
allerdings, wann ein solcher Beschluss oder ggf. gesondertes Datenschutzabkommen
tatsächlich erzielt wird.
Mittelfristige Auswirkung auf die Gesetzeslage
Die für den Online-Shop relevanten Rechtsgebiete sind derzeit zu großen Teilen
harmonisiert. Dies liegt zum einen an der Umsetzung der sog. E-Commerce
Richtlinie (2000/31/EG). Mit der Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU) wurden
erst kürzlich die Verbraucherrechte weitestgehend vereinheitlicht.
Harmonisierung bedeutet immer auch Rechtshoheit des EuGH. Zwar behält der EuGH
seine Stellung gegenüber Großbritannien während der Übergangsperiode sowie – für
einzelne Rechtsfragen – für einen weiteren Zeitraum. Mittelfristig müssten sich
die UK Gerichte aber nicht mehr an EuGH-Urteilen orientieren. Dies kann mit der
Zeit zu Divergenzen in der Auslegung bereits harmonisierter Gesetze sowie der
zukünftigen Rechtslage führen.
Von einer drastischen Veränderung ist dennoch nicht auszugehen, da UK bislang in
den meisten Fällen wenig Gebrauch von Umsetzungsspielräumen von Richtlinien, die
relevant für E-Commerce sind, gemacht hat und der Rechtsverfolgungsdruck im
E-Commerce im Vergleich zu Deutschland gering ist.
Brexit – Eine Gefahr für die Limited
Viele deutsche Händler haben sich wegen der einfachen Gründungsmodalitäten die
Gesellschaftsform einer englischen Limited gegeben. In Großbritannien entfalten
diese Unternehmen aber keine Geschäftstätigkeit, sondern dienen nur als
Briefkastenfirmen. 1999 hat der EuGH den Weg für diese Ausgestaltung frei
gemacht. Begründet wurde die Entscheidung damals mit der Niederlassungsfreiheit.
Da es im Falle einer fehlenden bilateralen Regelung nach der Übergangsperiode
keine Niederlassungsfreiheit für britische Unternehmen innerhalb der EU mehr
gibt, wird diese Rechtsprechung obsolet.
Das bedeutet: Niederlassungen einer britischen Limited können dann nicht mehr
ins deutsche Handelsregister eingetragen werden und die Haftung eines Directors
einer britischen Limited ist nach den strengen deutschen Vorschriften über die
Geschäftsführerhaftung zu beurteilen. Die Rechtsform der englischen Limited wird
im Falle eines Brexit für deutsche Unternehmer dann unattraktiv.
In so einem Fall könnte naheliegend sein, die Rechtsform im Wege einer
„Verschmelzung“ in eine deutsche GmbH zu ändern.
Was sollten deutsche nun Händler tun?
Händler sollten die weiteren Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien
während der Übergangsperiode genau beobachten und diese Zeit nutzen, um den UK
Markt für ihren Shop genau zu analysieren. Was verkaufen Sie? Wie sind Ihre
Umsätze in UK? Lohnt der Markt sich für Sie, so dass Sie bereit wären,
zusätzliche bürokratische Hürden und administrative Kosten auf sich zu nehmen?
Wie könnte es nach dem Austritt weiter gehen?
Wie bereits erwähnt ist im Ergebnis davon auszugehen, dass Großbritannien auch
nach dem Austritt aus der Union ein Interesse daran hat, eine starke
Handelsbeziehung mit den EU Mitgliedstaaten aufrecht zu erhalten. Insofern ist
die Wahrscheinlichkeit, dass es zum 31.12.2020 noch immer kein ausreichendes
Abkommen existiert, das den E-Commerce Bereich umfassend regelt, verhältnismäßig
gering. Es bleibt jedoch abzuwarten, in welcher Form und wie umfangreich dieses
Abkommen ausfallen wird.
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